Ein Onlineshop in Handarbeit, oder: Ich bin doch nicht Amazon Prime!

Ein Onlineshop in Handarbeit, oder: Ich bin doch nicht Amazon Prime!

Moin! Ich hatte ja in meinem letzten Beitrag angekündigt, etwas zu den internen Abläufen bei Shop-Bestellungen zu schreiben. Also über das, was man normalerweise nicht sieht. Anders als bei vielen großen Online-Händlern läuft hier nämlich so gut wie gar nichts automatisch. Im Gegenteil: Jeder Arbeitsschritt wird von Hand durchgeführt. Viele von Euch kennen ja schon meine Philosophie, dass die einfachere Lösung oft die beste ist und kleine Schritte auch zum Ziel führen. Wie einige wissen, lehne ich das allgegenwärtige „schneller, höher, weiter“ generell ab, denn es macht uns als Einzelne und als Gesellschaft krank, zerstört den Zusammenhalt und lässt die Schwächsten zurück.

Absage an die Leistungsgesellschaft

Grundsätzlich finde ich es anstrengend, wenn Menschen mit der Erwartungshaltung an mich und meinen Laden herantreten, dass ihre Bestellungen bitteschön blitzschnell, am besten sofort erledigt werden. Ganz klar in Zeiten, in denen ich heute klicke, und morgen klingelt auch schon der Paketbote. Versteht mich nicht falsch: Ich liebe meine Kundinnen und meine Arbeit, und gebe im Rahmen meiner Möglichkeiten, gerne alles, um Wünsche schnell und unkompliziert zu erfüllen. Aber es gibt auch Grenzen des Machbaren. Und die lege ich selbst fest – und lasse mir dabei keinen Druck von außen machen.
Denn ich bin ein Mensch. Ich bin Mutter eines Kleinkindes, das jetzt, während des Lockdowns nicht zur Kita geht, sondern den ganzen Tag zu Hause betreut wird. Das mache ich im Wechsel mit meinem Mann, der ebenfalls selbstständig ist. Dass ich deshalb eben nicht 12 Stunden am Tag im Laden sitze und nur darauf warte, die nächste Bestellung zu packen, sollte klar sein. Ich halte mir drei Arbeits-Blöcke pro Woche frei, an denen ich im Laden bin und Bestellungen bearbeite. Mehr geht momentan einfach nicht, aber das ist ok. Wir müssen alle mit unseren Kräften sparsamer sein als sonst.

Klein und trotzdem online

Somit ticken auch unabhängig vom derzeitigen Lockdown die Uhren im Wollkaufladen eben ein wenig anders als in manchem Mega-Store. Den Laden gibt es erst etwas länger als ein Jahr, und ziemlich bald nach der Eröffnung kam Corona. Ich bin sozusagen noch in der Start-Phase und muss, was das Geschäftliche angeht, auf Sicht fahren – und die Sicht ist nicht besonders weitläufig. Das bedeutet auch: Es gibt keinen riesigen Warenbestand und so gut wie kein Lager. Ich bestelle nicht wöchentlich riesige Mengen an Ware nach, um immer randvolle Regale zu haben. Ich habe kein Warenwirtschaftssystem, in dem alle Bestände genau aufgelistet sind. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt alles zu teuer und zu riskant. Deshalb habe ich mich auch dazu entschieden, in Sachen Online-Business alles so einfach und übersichtlich wie möglich zu halten. Denn ich glaube nicht, dass Onlinehandel und ein nachhaltiges Geschäftsgebaren einander ausschließen müssen. Das bedeutet aber auch, dass es nicht immer so schnell und reibungslos geht, wie bei großen Internethändlerinnen. Was passiert nun also im Wollkaufladen, wenn jemand auf den Bestell-Button klickt?

Onlineshopping ohne Automatisierung

Zuerst bekomme ich eine Benachrichtigung über die Bestellung (und ja, manchmal sitze ich dabei auch gerade zu Hause auf der Couch, oder stehe am Herd). Dann muss ich prüfen, ob die bestellte Ware in ausreichender Menge vorhanden ist. Bei manchen Artikeln habe ich das ziemlich sicher im Kopf, bei anderen muss ich vor Ort nachschauen. Ist alles da, schreibe ich eine Rechnung und schicke sie der Kundin per Mail. In 8 von 10 Fällen klappt das so. Aber es kann dadurch auch mal einen Tag dauern, bis die Rechnung kommt, weil sie eben nicht automatisch vom System verschickt wird. Sondern von mir, einem Menschen. Auch das Packen und die Versandvorbereitung passieren in Handarbeit – ganz ohne Fließband.

Ist nicht alles da, nehme ich Kontakt zur Kundin auf, um das weitere Vorgehen abzustimmen: Möchte sie warten, bis ich ihre Artikel nachbestellt habe? Möchte sie einen oder alle Artikel stornieren? Soll ich erstmal eine Teillieferung vornehmen? Weil das alles erstmal geklärt werden muss, biete ich im Onlineshop auch keine Sofortzahlungsmöglichkeiten wie Direktüberweisung oder Paypal an. Denn mit sofortiger Zahlung wächst bei den Kundinnen auch die Erwartungshaltung, dass die Ware sofort geliefert wird, so wie man es ja von vielen Online-Riesen kennt.

Menschlichkeit macht den Unterschied

Was bleibt, ist ein Geschäft, das on- wie offline mit Herzblut und Eigensinn geführt wird. In dem nicht immer alles bis zur Vollendung durchoptimiert ist, aber dafür individuelle Beratung und persönlicher Service groß geschrieben werden. Jede Kundin ist hier ein Mensch, und keine Nummer. Wenn ihr, liebe Leserinnen, Menschen seid denen das egal ist, weil „schneller, höher, weiter“ und „geiz ist geil“ eure Lebensmottos sind, dann macht es für Euch keinen Unterschied. Aber dann würde ich diesen Text nicht schreiben. Ich weiß, den meisten ist es nicht egal. Dafür kenne ich meine Strick- und Häkel-Community zu gut. Und deshalb danke ich jeder, die on- wie offline kleine und individuelle Händlerinnen unterstützt, und dabei Geduld und Verständnis an den Tag legt. Für Euch mache ich das alles!